Wir sind Credo-Christen

Wir sind Credo-Christen

Wir sind Credo-Christen

© Goran Zivanovic, Pixabay

Ich glaube, jeder Christ sollte das Apostolische Glaubensbekenntnis lieben und hochachten. Seine Zeit ist noch nicht abgelaufen! Auch in einer Zeit, in der immer mehr Lebensbereiche, Werte und Normen als veränderlich, unsicher, komplex und ambig (V.U.K.A.) erlebt werden, gibt es Dinge, die bleiben. Ich meine, eines davon ist eben dieses.

Dies aus 5 Gründen:

1. Das Christentum war von Anfang an eine Bekenntnis-Bewegung

Schon in den neutestamentlichen Texten ist von „bekennen“ die Rede. Laut Matthäus 10,32 erklärt Jesus: „Wer nun mich bekennt vor den Menschen, den will ich auch bekennen vor meinem himmlischen Vater.“ Paulus erklärt in Römer 10,9-10: „Wenn du mit deinem Munde bekennst, dass Jesus der Herr ist, und in deinem Herzen glaubst, dass ihn Gott von den Toten auferweckt hat, so wirst du gerettet. Denn wenn man von Herzen glaubt, so wird man gerecht; und wenn man mit dem Munde bekennt, so wird man gerettet.“ In 2. Korinther 9,13 ist vom „Bekenntnis zum Evangelium Christi“ die Rede und in Philipper 2,11 davon, dass alle „bekennen sollen, dass Jesus Christus der Herr ist“.

Irenäus beschreibt in seinem Werk Gegen die Häresien (Irrlehren) bereits zirka 180 n.Chr., was ein „rechtgläubiger“ Christ grundsätzlich glaubt. Diese „Richtschnur des Glaubens“ umfasst so gut wie alle Inhalte des späteren Apostolischen Glaubensbekenntnisses:

 

„Richtschnur des Glaubens“ gemäss Irenäus Apostolisches Glaubensbekenntnis
Den Glauben an den einen Gott, den allmächtigen Vater, Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen,
den Schöpfer des Himmels und der Erde und der Meere und alles was in ihnen ist, den Schöpfer des Himmels und der Erde.
und an den einen Christus Jesus, Und an Jesus Christus,
den Sohn Gottes, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn,
der, um uns zu erlösen, Fleisch angenommen hat, empfangen durch den Heiligen Geist,
und an den heiligen Geist, der durch die Propheten die Heilsordnung Gottes verkündet hat, die zweifache Ankunft des Herrn, (unten genannt)
seine Geburt aus der Jungfrau, geboren von der Jungfrau Maria,
sein Leiden (unter Pontius Pilatus), gelitten unter Pontius Pilatus,
gekreuzigt, gestorben und begraben,
hinabgestiegen in das Reich des Todes,
seine Auferstehung von den Toten am dritten Tage auferstanden von den Toten,
und die leibliche Himmelfahrt aufgefahren in den Himmel.
unseres lieben Herrn Christus Jesus Er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters;
und seine Wiederkunft vom Himmel in der Herrlichkeit des Vaters, von dort wird er kommen,
um „alles wiederherzustellen“ [Eph 1,10] und alles Fleisch der ganzen Menschheit wiederzuerwecken, damit vor Jesus Christus, unserm Herrn und Gott, unserm Heiland und König, nach dem Wohlgefallen des unsichtbaren Vaters, „jedes Knie sich beuge derer, die im Himmel, auf der Erde und unter der Erde sind, und jegliche Zunge ihn preise“ [Phil 2,10-11]. Dann wird er ein gerechtes Gericht über alle halten. Die Geister der Bosheit und die ungehorsamen Engel, die von Gott abfielen, und die Gottlosen und Ungerechten und Frevler und Gotteslästerer wird er in das ewige Feuer schicken. Den Gerechten aber und Frommen und denen, die seine Gebote beobachtet haben, und die in seiner Liebe verharrt sind teils von Anfang, teils seit ihrer Bekehrung, denen wird er das ewige Leben in Gnaden schenken und mit ewiger Herrlichkeit sie umkleiden. zu richten die Lebenden und die Toten.
(oben genannt) Ich glaube an den Heiligen Geist,
(einziger nicht-genannter Aspekt) die heilige christliche Kirche,
Gemeinschaft der Heiligen,
(oben genannt) Vergebung der Sünden,
(oben genannt) Auferstehung der Toten
(oben genannt) und das ewige Leben. Amen

 

Das Apostolische Glaubensbekenntnis geht inhaltlich auf die „Richtschnur des Glaubens“ zurück, wie sie spätestens seit 200 n.Chr. formuliert war. Das Apostolische Glaubensbekenntnis ist eine Variante dieser „Richtschnur des Glaubens“.

2. Das Glaubensbekenntnis und der neutestamentliche Kanon kommen aus derselben Hand

Die neutestamentlichen Schriften und das Apostolische Glaubensbekenntnis (als Variante der „Richtschnur des Glaubens“) wurden in derselben Zeit festgelegt. Wir empfangen beides aus derselben Hand der Alten Kirche. Im Grundsatz ist auch der neutestamentliche Kanon ein Bekenntnis und eine „Richtschnur des Glaubens“. „Kanon“ bedeutet auf Griechisch „Regel“ oder „Richtschnur“.

3. Das Glaubensbekenntnis und der neutestamentliche Kanon bestätigen einander

Irenäus sieht in den neutestamentlichen Schriften und in der „Richtschnur des Glaubens“ zwei Zeugen, die sich gegenseitig bestätigen und gegen beide sich die Irrlehrer seiner Zeit stellen. Das Glaubensbekenntnis und das Neue Testament bestätigen sich gegenseitig. Noch heute gilt, dass eine liberale Haltung bezüglich Bibel und Apostolischen Glaubensbekenntnis in der Regel einhergehen. Eine liberale Theologie ist schlussendlich eine Theologie, die sich dem Apostolischen Glaubensbekenntnis nicht verpflichtet sieht.

Nach dem Motto, „Wie kann ich verstehen, was ich lese, wenn mich nicht jemand anleitet?“ (vgl. Apg 8,30-31), will das Apostolische Glaubensbekenntnis uns in unserem Verständnis der biblischen Schriften leiten. So schreibt auch das Evangelische Gemeinschaftswerk der Schweiz (EGW) in seinen Statuten: „Wegweisend für die Auslegung der Heiligen Schrift sind das Apostolische Glaubensbekenntnis und die Bekenntnisse der Reformation in ihren Grundaussagen.“

4. Das Glaubensbekenntnis führte zur Entstehung zahlreicher Freikirchen

In den 1870er-Jahren wurde im Zuge des sogenannten „Apostolikumsstreits“ in den schweizerischen evangelischen Landeskirchen die Verpflichtung auf das Apostolische Glaubensbekenntnis aufgehoben. Dies führte dazu, dass bekenntnistreue Pfarrer und Gläubige sich von den Landeskirchen distanzierten und neue Gemeinschaften gründeten: unter anderem Chrischona Gemeinden. Die ersten selbstständigen Chrischona Gemeinden und andere Freikirchen entstanden in Abgrenzung zu einer Theologie, die sich vom Apostolischen Glaubensbekenntnis loslöste.

Angesichts dieser Entstehungsgeschichte würde es vielen Freikirchen gut anstehen, das Apostolische Glaubensbekenntnis neu zu entdecken und in ihre Gottesdienste zu integrieren.

5. Das Glaubensbekenntnis ist ein zeitloser „Klassiker“

Bei Autos fährt man einen Klassiker im Bewusstsein: Neuere Vehikel sind vielleicht bequemer, schneller, sparsamer und hipper, aber wenn jene einmal zu Kühlschränken und Waschmaschinen recycelt sein werden, wird diese Kostbarkeit weiterhin Freude und Inspiration vermitteln. In meinem Glauben halte ich mich an Christus, das bewährte Evangelium, die biblischen Schriften und die alten Bekenntnisse: den Klassiker. Neuere sogenannt „christliche Strömungen“ sind vielleicht bequemer, schneller, sparsamer und hipper, aber wenn jene einmal bereits verschwunden sein werden, wird diese Kostbarkeit weiterhin Freude und Inspiration vermitteln.

Ich halte mich lieber an eine über 1800jährige Tradition und stehe lieber auf dem Boden der alten Kirche, als dass ich meine, ausgerechnet wir seien die Generation, die zu Recht feststellt, dass die alten Wahrheiten nicht mehr wahr sein sollen. Wir würden damit gegen zweitausend Jahre Kirchengeschichte inklusive Reformation wetten. Mathematisch gesehen wären unsere Chancen, richtig zu liegen, sehr klein.

Im Blick auf das Apostolische Glaubensbekenntnis erkläre ich mit einem alten Spiritual:

Give me that old time religion. It’s good enough for me.
It was good for Paul and Silas and it’s good
enough for me.
It was
tried in the fiery furnace and it’s good enough for me.
Makes me love everybody and it’s good
enough for me.
Give me that old time religion. It’s good
enough for me.

Frei übersetzt:

Gib mir den traditionellen Glauben, er ist für mich voll in Ordnung.
Er war gut für Paulus und Silas und ist auch für mich voll in Ordnung.
Er wurde im feurigen Ofen geprüft und ist auch für mich voll in Ordnung.
Er gibt mir Liebe für alle Menschen und ist auch für mich voll in Ordnung.
Gib mir den traditionellen Glauben, er ist für mich voll in Ordnung.

Diesen Blog-Artikel gibt es in ausführlicherer Form auf danieloption.ch

 

Christian Haslebacher

Christian Haslebacher

Regionalleiter Ostschweiz und Vorsitzender

Christian ist verheiratet mit Annette, hat drei Kinder und lebt im Thurgau. Er ist neben seinem Job als Regionalleiter auch Vorsitzender des Leitungsteam von Chrischona Schweiz. Er liebt gute Diskussionen.

Wir sind dynamisch

Wir sind dynamisch

Wir sind dynamisch

© denamorado

Kürzlich sprach ich an einer Konferenz (Forum Kommunikative Theologie) über die „fromme Szene“, zu der wir als Chrischona Schweiz gehören. Ich gebrauchte dafür augenzwinkernd die Wortschöpfung „pietistisch-evangelikal-charismatische Christenheit„. Die meisten Zuhörenden reagierten mit leichtem Schmunzeln und wussten in etwa, was ich damit meinte. Trotzdem ist diese Bezeichnung natürlich kein zukunftsfähiges Label.

Gläubige Christen der verschiedenen Traditionen und Prägungen sind dadurch miteinander verbunden, dass sie zum Beispiel an die Inhalte des Apostolischen Glaubensbekenntnisses glauben. Die verschiedenen Traditionen sind dabei nicht als Schubladisierungen und Abgrenzungen zu verstehen – auch wenn sie zum Teil als solche missbraucht werden – sondern als Reichtum der gesamten Christenheit. Es macht durchaus Sinn, diese verschiedenen Traditionen und Prägungen benennen zu können, ihnen Labels zu geben, damit man weiss, wo das Gegenüber seine kirchlichen und theologischen Wurzeln hat. Dies im Bewusstsein: Zuerst sind wir mal Christen, dann lange nichts mehr und danach evangelische Christen, lutherische Christen, orthodoxe Christen, anglikanische Christen und so weiter. Die Frage lautet: Wie bezeichnen wir unseren ungefähren Mix an „pietistisch-evangelikal-charismatischer“ Tradition und Prägung? Welcher Begriff wäre für unsere Bewegung charakteristisch?

Ich glaube, wir sind dynamische Christen, oder wollen und sollten es sein!

Dynamisch im Sinn von EVANGELIUMSGELADEN

„Wir schämen uns des Evangeliums nicht: Es ist eine Kraft (Dynamis) Gottes, die jeden rettet, der glaubt.“ (nach Röm 1,16; 15,18-19)

Wir glauben an das ganze und volle Evangelium, wie es in der Bibel steht. Wir glauben an die Lebensverändernde Kraft dieser Botschaft und wollen sie immer tiefer verstehen und immer wieder neu entdecken.

Hier geht es darum, was wir glauben: What we BELIEVE.

Dynamisch im Sinn von GEISTERFÜLLT

„Wir wollen die Kraft (Dynamis) des Heiligen Geistes empfangen.“ (nach Apg 1,8; Eph 5,18)

Wir wollen eine lebendige Spiritualität leben und das Wirken von Gottes Geist an uns und in uns immer wieder suchen.

Hier geht es um unseren Charakter: What we BECOME.

Dynamisch im Sinn von BEFLÜGELT

„Durch unsere Worte und Taten wollen wir in der Kraft (Dynamis) des Geistes das volle Evangelium weitergeben.“ (nach Röm 15,18-19; Apg 1,8; 2Kor 5,20)

Wir wollen durch unser Leben und Reden unsere Mitmenschen einladen, durch den Glauben an Jesus ein sinnerfülltes und bedeutungsvolles Leben zu finden. Dies soll kreativ, beweglich, inspiriert, begeistert, beflügelt oder eben dynamisch geschehen.

Hier geht es um unseren Lebensstil: How we BEHAVE.

Diese drei Aspekte „Bekenntnis zum Evangelium“, „lebendige Spiritualität“ und „authentische Sucherorientierung“ waren übrigens von Anfang an entscheidende Merkmale echter Chrischona Gemeinden und sind es heute noch.

Dynamisch – unser neues Label?

Dynamische Christen sind solche, die sich dadurch speziell charakterisieren, dass sie sich dem vollen Evangelium verpflichtet fühlen, dass sie aus der Kraft des Geistes leben wollen und dass sie durch ihre Worte und Taten Menschen zu einem Leben mit Jesus einladen.

Würden wir uns anstatt als „pietistisch-evangelikal-charismatisch“ als „dynamische“ Christen bezeichnen, würden wir damit anderen Christen die Dynamis übrigens nicht absprechen! Evangelische Christen sprechen ja Katholiken und Anglikanern auch nicht ab, dass sie das Evangelium wichtig finden.

„Dynamisch“ – vielleicht noch zu früh für unsere neue Selbstbezeichnung. Ich hätte eine noch bessere Idee: Wie wäre es, wenn wir unser Christsein so dynamisch lebten, dass andere uns dieses Label geben würden?

Soweit einige unfertige Gedanken von mir. Was denkst Du dazu? Schreibe es mir!

 

 

Christian Haslebacher

Christian Haslebacher

Regionalleiter Ostschweiz und Vorsitzender

Christian ist verheiratet mit Annette, hat drei Kinder und lebt im Thurgau. Er ist neben seinem Job als Regionalleiter auch Vorsitzender des Leitungsteam von Chrischona Schweiz. Er liebt gute Diskussionen.

Auf ins V.U.K.A.-Erlebnis!

Auf ins V.U.K.A.-Erlebnis!

Auf ins V.U.K.A.-Erlebnis!

© anatoliy_gleb – de.freepik.com

Für viele Leute sind Traum-Skipisten frisch planiert, bequem zu fahren, ohne jegliche unwillkommene Überraschung. Pisten, wo man noch die Rillen des Pistenfahrzeuges sieht. Andere Leute träumen von Skipisten, auf denen einige Zentimeter unberührten Neuschnees liegen, man wie auf Watte fährt und sich fühlt, als würde man schweben. Und dann gibt es Skipisten, die sind V.U.K.A.

V: veränderlich (volatility)

Eisflächen, leichter und nasser Schnee wechseln sich ebenso ab wie ebene Bereiche und veritable Buckel.

U: unsicher (uncertainty)

Man weiss nicht genau, was einem wo erwartet. Scheinbar schöner Schnee entpuppt sich als Eisfläche, die mit minimal wenig Schnee bedeckt ist, der sofort wegrutscht, wenn man mit dem Ski Kante gibt.

K: komplex (compexity)

Die Reaktion des Schnees unter den Skiern kann nicht genau vorhergesagt werden. Nur weil der Schnee in der einen Kurve gut hält, muss das noch lange nicht bedeuten, dass er es in der nächsten Kurve noch tut und nicht doch wegrutscht, auch wenn er eigentlich gleich aussieht.

A: ambig (ambiguity)

Ambiguität steht für Mehrdeutigkeit und Widersprüchlichkeit. Selbst wenn man sich auf der Skipiste die Zeit nehmen und über jeden Schwung nachdenken könnte, gäbe es verschiedene mögliche Überzeugungen, welche Route die beste ist.

 

 

Solche Skipisten findet man oft an sonnigen Frühlingsnachmittagen, nachdem Sonne und Massen von Skifahrern ihnen schon stark zugesetzt haben. Viele Leute fühlen sich von V.U.K.A.-Skipisten überfordert und meiden sie wenn möglich. Aber wenn man sich darauf einlässt, die nötigen Grundsätze beherrscht und genügend fit ist, können solche Pisten sehr positiv sein.

Nicht nur Skipisten können V.U.K.A. sein. In verschiedenerlei Hinsicht wird die gesamte westliche Welt und das Lebensgefühl darin (auch unabhängig von Corona) immer mehr V.U.K.A.: Dauernde Veränderungen (V) werden zur einzigen Konstanten. Unsicherheit (U) macht sich breit und man weiss je länger je weniger, was einem in einem Monat, Jahr oder Jahrzehnt erwartet. Die Komplexität (K) des Lebens steigt und der Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung wird immer schwieriger zu erkennen. Informationen und Sachverhalte scheinen mehrdeutig oder gar widersprüchlich, sprich ambig (A).

Eine V.U.K.A.-Skipiste souverän hinunterzufahren oder sich in einer V.U.K.A.-Welt zu bewegen braucht ähnliche Kompetenzen, die sich ebenfalls mit „V.U.K.A.“ zusammenfassen lassen, allerding in einem anderen Sinn:

V: Vision

Wer sich souverän bewegen will, braucht eine möglichst klare Vision davon, nach welchen Werten und Zielen er leben will. Auf der Skipiste wähle ich zum Beispiel in der Regel: Kurzschwünge im Zwei-Sekunden-Rhythmus.

U: Understanding (Verständnis)

Man braucht ein Verständnis von der Umwelt, die man als gegeben akzeptiert und nicht nostalgisch der Vergangenheit nachtrauert. Auf der V.U.K.A.-Skipiste auf das Pistenfahrzeug mit seiner Planierraupe zu warten, ist keine Option. Die V.U.K.A.-Welt scheint wie eine ausgefahrene Skipiste vielleicht weniger bequem als die gehabte, aber wenigstens durch die Begriffe „veränderlich, unsicher, komplex, ambig“ einigermassen verstehbar.

K: Klarheit

Auf einer ausgefahrenen Skipiste braucht es wie in einer V.U.K.A.-Welt eine gewisse Fokussierung und ein gewisses Selbstvertrauen mit leichtem Hang zur Sturheit. Ich halte meine Linie.

A: Anpassungsfähigkeit und Agilität

Bei aller nötigen Klarheit und gewissen Sturheit braucht es auf ausgefahrenen Skipisten und in unserer heutigen Welt die Fähigkeit, spontan und entspannt auf Unvorhergesehenes zu reagieren. Klarheit, Fokussierung uns Selbstvertrauen müssen gepaart sein mit entspannter Anpassungs- und Adaptionsfähigkeit.

 

 

Sicher scheint mir: Die V.U.K.A.-Welt ist Realität und diese wird nicht mehr so schnell verschwinden. Für wohl 80 Prozent der Menschen dieses Planeten ist die V.U.K.A.-Welt schon längst Realität und diese Menschen haben wohl auch überhaupt kein Erbarmen mit uns. Und das brauchen auch wir nicht mit uns selbst zu haben, denn das Positive ist: Wenn so viele Menschen schon längt in einer V.U.K.A.-Welt leben, dann können auch wir es lernen! Vielleicht wirst du nie lernen, eine V.U.K.A.-Skipiste zu geniessen, aber du kannst lernen, eine V.U.K.A.-Welt zu lieben! Wenn du dich darauf einlässt, die nötigen Grundsätze beherzigst und geistlich genügend „fit“ bist, kann das Leben in der V.U.K.A.-Welt sehr positiv sein!

Wir können lernen, in einer V.U.K.A.-Welt dort, wo wir sind, Leitungsverantwortung wahrzunehmen.

Wir können lernen, in einer V.U.K.A.-Welt Kirche zu sein und zu bauen

Die V.U.K.A.-Welt bietet sogar ausgeprägte Chancen für beides. Schreibe mir doch, welche Chancen du siehst! Was sind die positiven Tugenden, mit denen wir auf „veränderlich, unsicher, komplex und ambig“ antworten können? Welche Herzenshaltungen, Denkweisen und Strategien könnten uns helfen?

 

Christian Haslebacher

Christian Haslebacher

Regionalleiter Ostschweiz und Vorsitzender

Christian ist verheiratet mit Annette, hat drei Kinder und lebt im Thurgau. Er ist neben seinem Job als Regionalleiter auch Vorsitzender des Leitungsteam von Chrischona Schweiz. Er liebt gute Diskussionen.

Merkmale echter Chrischona Gemeinden

Merkmale echter Chrischona Gemeinden

Merkmale echter Chrischona Gemeinden

Zukunft braucht Herkunft. Im Rahmen einer Serie setzen wir uns daher mit unseren Wurzeln auseinander. Wir beleuchten Persönlichkeiten und Umstände, die für unsere Gründerzeit prägend waren. Teil 4 widmet sich drei charakteristischen Merkmalen der ersten Gemeindegründungen.

Ein Jahr nach dem Versterben von Carl-Heinrich Rappard schrieb seine Frau Dora 1910 seine Biografie. Sie enthält wichtige Hinweise dafür, wie innerhalb von 40 Jahren über 60 Chrischona Gemeinden gegründet werden konnten. Drei Aspekte waren offenbar entscheidend.

Einladung an Menschen

1869 wurde Wilhelm Baumbach als erster Evangelist von St. Chrischona nach Mattwil (TG) gesandt. 1871 waren es bereits vier Evangelisten in verschiedenen Regionen der Schweiz. 1872 kam Markus Hauser als Evangelist nach Mattwil, um die Arbeit des inzwischen verstorbenen Wilhelm Baumbach weiterzuführen. Er reiste von Ort zu Ort und hielt stark besuchte Stubenversammlungen. Weil die Wohnzimmer bald zu klein wurden, erbauten Gläubige der Region in Mattwil die erste Chrischona-Kapelle mit Platz für 250 Personen. Sie wurde am 10. August 1873 eingeweiht.

Die ersten Gemeindegründer nannte man „Evangelisten“ und sie verstanden sich auch als solche. Sie wollten, dass die Menschen die christliche Botschaft nicht nur vom Hörensagen her kannten. Man folgte der Vision, dass sich Menschen vom Evangelium berühren und zu einem Leben mit Jesus einladen lassen. Rappard schrieb über die Evangelisten: „Die Umstände bringen es mit sich, dass sie unter den für Jesus Gewonnenen auch als Hirten und Lehrer zu wirken haben, wie denn auch mancher ‚Hirte‘ entschieden in evangelistischer Weise arbeitet.“ Es ging diesen Evangelisten um „innere Mission“ unter „Namenchristen“.

Die ersten Gemeindegründer wurden „Evangelisten“ genannt. Sie wollten Menschen zu einer lebendigen Beziehung mit Jesus einladen und sie in dieser Beziehung stärken. Lasst uns diese gewinnende Sucherorientierung weiterhin hochhalten!

Bekenntnis zu Jesus und zur Bibel

In den 1870er-Jahren wurde in den schweizerischen evangelischen Landeskirchen die Verpflichtung auf das Apostolische Glaubensbekenntnis aufgehoben. Dies führte dazu, dass nicht-liberale Pfarrer und Gläubige sich von den Landeskirchen distanzierten und neue Gemeinschaften gründeten, unter anderem Chrischona Gemeinden.

Rappard wollte ursprünglich keine eigene Chrischona Kirche gründen. Er erklärte noch 1900: „Wir wollen keine neue Denomination einführen.“ Stattdessen wolle man Menschen zu Jesus führen und „die zu ihm Gebrachten“ in Gemeinschaften sammeln und pflegen. Rappard war überzeugt, dass diese Arbeit in der Landeskirche Raum habe. Er betont die Tatsache, dass überall da, wo lebendige Gemeinschaften sind, „der Besuch der kirchlichen Gottesdienste (sofern sie von gläubigen Seelsorgern gehalten sind) ein regerer geworden ist.“ Von ausserhalb kategorisierte man diese Gemeinschaftsarbeit mit ihren Erbauungs-, Bibel- und Gebetsstunden zum Teil in einer abwertenden Weise als „Stündeliwesen“, ihre Teilnehmenden als „Stündeler“. Trotz ursprünglich anderer Absicht traten aber dann mit der Zeit zahlreiche Gläubige aus den Landeskirchen aus und aus den Erbauungs-Versammlungen wurden Chrischona Gemeinden. Rappard stellte später fest: „Wo die Vertreter der Landeskirche den biblischen Boden verlassen haben und einen andern Christus verkündigen, als die Apostel es taten, bleiben die Gemeinschaftsglieder von solchen Gottesdiensten fern.“ Mit pointierten Worten erklärte Rappard schliesslich: „Wir sind es, die in der Kirche bleiben, die wir das Bekenntnis festhalten, auf dem die Kirche ruht: ‚Du bist Christus, des lebendigen Gottes Sohn.‘ Die diesen Felsengrund aufgeben, das sind die ‚unkirchlichen Leute‘.“ Und er machte deutlich, woran sich dies zeigen soll:

„Um zu widerstehen den vielen Versuchungen unserer Zeit, ist es nötig, zu bleiben auf den alten, klaren, bewährten Wegen der Bibel. Dann wird man nicht irren, weder nach rechts in unnüchterne Überschwenglichkeiten, noch nach links in Lauheit und Weltförmigkeit.“

Die ersten selbstständigen Chrischona Gemeinden entstanden in Abgrenzung zu einer liberalen, rationalistischen, bibelkritischen Theologie. Trotz teilweisen Verunglimpfungen hielt man am vollen Vertrauen in die Bibel fest. Lasst uns diese gegründete Theologie weiterhin hochhalten!

Wirken des Heiligen Geistes

Rappard schrieb: „Dass in unseren Kirchen, Versammlungen und Anstalten landauf, landab ein tiefes Bedürfnis ist nach geistlicher Erleuchtung und Kraft, ist nicht zu leugnen.“ Und auf die Frage, wie Erweckung geschehen kann, antwortete er: „Werden die Kinder Gottes lebendig, tun wir aufrichtig Busse, lassen wir uns reinigen, und erwacht in uns der Geist des Gebets, so wird Gott antworten.“ Woraufhin er fragt: „Warum soll das Wort Jesu sich nicht erfüllen, dass von denen, die an Ihn glauben, Ströme lebendigen Wassers [des Heiligen Geistes] fliessen sollen?“ An anderer Stelle betont er:

„Was wir brauchen, wenn wir Zeiten der Erweckung erleben wollen, das sind nicht [in erster Linie] neue Methoden und Ausdrücke, sondern es sind geisterfüllte Menschen, in deren Herzen das Feuer des Herrn brennt und die darum dieses heilige Feuer verbreiten. … Wir müssen uns von dem Heiligen Geist als Werkzeuge gebrauchen lassen und so gefügig werden in der Hand Gottes, wie die Feder in der Hand des Schreibers … damit wir, wenn der Herr uns dazu treibt, die Schranken althergebrachter Sitten durchbrechen können.“

Erweckliche Aufbrüche geschahen durch das Wirken des Heiligen Geistes. Durch Busse und Gebet suchte man als Gläubige die Erfüllung mit dem Heiligen Geist. Lasst uns diese lebendige Spiritualität weiterhin hochhalten!

Die Kombination ist entscheidend

Authentische Sucherorientierung, gegründete Theologie und lebendige Spiritualität lassen sich verbinden und müssen geradezu miteinander verbunden werden.

Unser Bekenntnis und unsere Spiritualität sind ohne Einladung an unsere Mitmenschen egoistisch. Unserer Sucherorientierung und unserer Spiritualität fehlt ohne Bekenntnis zu Jesus und zur Bibel die verlässliche Grundlage. Unsere Einladung und unsere Theologie sind ohne Wirken des Heiligen Geistes kraftlos.

Wir brauchen alle drei Aspekte:
• Einladung an Menschen (authentische Sucherorientierung)
• Bekenntnis zu Jesus und zur Bibel (gegründete Theologie)
• Wirken des Heiligen Geistes (lebendige Spiritualität)

Dies galt zumindest für die ersten Chrischona Gemeinden? Gilt dies heute noch? Sind andere Aspekte entscheidender? Was wird uns auch in die Zukunft führen?

Christian Haslebacher

Christian Haslebacher

Regionalleiter Ostschweiz und Vorsitzender

Christian ist verheiratet mit Annette, hat drei Kinder und lebt im Thurgau. Er ist neben seinem Job als Regionalleiter auch Vorsitzender des Leitungsteam von Chrischona Schweiz. Er liebt gute Diskussionen.

Die herausfordernde Gründerzeit

Die herausfordernde Gründerzeit

Die herausfordernde Gründerzeit

© Alessandro Gallo / CC BY-SA

Zukunft braucht Herkunft. Im Rahmen einer Serie setzen wir uns daher mit unseren Wurzeln auseinander. Wir beleuchten Persönlichkeiten und Umstände, die für unsere Gründerzeit prägend waren. Teil 1 widmet sich den Umständen, in die hinein die ersten Gemeinden gegründet wurden.

Wir leben in einer Zeit zahlreicher gesellschaftlicher, ethischer und politischer Herausforderungen. Vergessen wir dabei nicht: In solchen Zeiten und für solche Zeiten wurden die ersten Chrischona Gemeinden gegründet.

Die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts war in der Schweiz eine Zeit mit enormen Herausforderungen: 1847 kämpften im Sonderbundskrieg Schweizer auf Schweizer Boden gegen Schweizer. 1848 wurde der Staatenbund Schweiz in einen Bundesstaat umgewandelt. Diese politische Errungenschaft musste in den folgenden Jahrzehnten verdaut, eingeübt und gefestigt werden. 1871 floh die französiche „Bourbaki-Armee“ mit 87‘000 Mann vor den Deutschen in die Schweiz, was grosse Anforderungen mit sich brachte.

Die Industrialisierung förderte eine starke Landflucht, Umverteilung und Zunahme der Bevölkerung. Durch den Bau des schweizerischen Eisenbahnnetzes wurde der Transport von Waren und Personen revolutioniert. Gleichzeitig mussten bis 1877 aufgrund der tiefen Löhne oft auch Frauen und Kinder bis zu 90 Stunden pro Woche arbeiten. Es war eine Zeit des Aufbruchs und der Erfindungen, aber auch von grassierender Armut und moralischen Niedergängen.

1855 und 1867 wurde die Schweiz von Cholera-Epidemien heimgesucht, die jeweils mehrere hundert Tote forderten. Die Tuberkulose raffte im 19. Jahrhundert in Europa jährlich Hunderttausende dahin.

In einem Kulturkampf wurde der Einfluss der Kirche auf das neue liberal-säkulare Staatswesen eingeschränkt. Im Zuge des „Apostolikumsstreits“ wurde die Verpflichtung auf das Apostolische Glaubensbekenntnis in den evangelischen Landeskirchen in den 1870er-Jahren aufgehoben. Dies führte dazu, dass nicht-liberale Pfarrer und Gläubige (die sich nicht auf die aufkommend historisch-kritische, rationalistische Theologie einlassen wollten) sich von den Landeskirchen distanzierten und neue Gemeinschaften gründeten: Unter anderem ab 1872 Chrischona Gemeinden.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gab der Glaube an Jesus zahlreichen Menschen wie dir und mir die Kraft, mit solchen Herausforderungen und Möglichkeiten umzugehen und konstruktiv auf sie einzuwirken. Ihre Zuversicht, weil sie an Christus glaubten, hatte Auswirkungen auf ihr Denken, Reden und Handeln. Sie verkündeten das Evangelium und legten praktisch Hand an.

Unsere Wurzeln liegen in einer Zeit, deren Herausforderungen nicht kleiner waren als unsere heutigen. In solchen und für solche Zeiten: Chrischona Schweiz.

Christian Haslebacher

Christian Haslebacher

Regionalleiter Ostschweiz und Vorsitzender

Christian ist verheiratet mit Annette, hat drei Kinder und lebt im Thurgau. Er ist neben seinem Job als Regionalleiter auch Vorsitzender des Leitungsteam von Chrischona Schweiz. Er liebt gute Diskussionen.